Neue Erkenntnisse zum Ringheiligtum Pömmelte So lebten die Menschen vor 4400 Jahren im heutigen Deutschland

Markus Brauer/
Das Ringheiligtum Pömmelte am Tag der Sommersonnenwende: Die prähistorische Kreisgrabenanlage wird von Archäologen auch als das deutsche Stonehenge bezeichnet. Foto: Imago/Schöning

Wie haben die Menschen im heutigen Deutschland im dritten Jahrtausend vor Christus gelebt? Wie wohnten sie, was aßen sie? Archäologen haben neue Antworten am Ringheiligtum Pömmelte bei Magdeburg gefunden.

 
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Archäologen haben bei Grabungen am Ringheiligtum in Pömmelte in Zackmünde, einem Ortsteil der Stadt Barby im Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt, weitere Details zum Leben der Menschen vor rund 4400 Jahren aufgedeckt. „Insgesamt zwölf Gebäude verteilten sich auf rund 39 000 Quadratmetern in unmittelbarer Nähe des Heiligtums“, sagte Landesarchäologe Harald Meller am Mittwoch (19. Juni).

20 Meter lange, zigarrenförmige Langhäuser

„Die Menschen der Glockenbecher Kultur haben vor rund 4400 Jahren in diesen Häusern gelebt. Die Häuser sind 20 Meter lang und sehen etwas zigarrenförmig aus. Ihre maximale Breite beträgt knapp über sieben Meter“, erklärte Meller. Bislang sind aus Mitteldeutschland nur von sechs weiteren Fundorten vergleichbare Gebäude bekannt.

  • Zur Info: Als Glockenbecherkultur wird eine kupfersteinzeitliche Kultur des mitteleuropäischen Spätneolithikums bezeichnet, die in Süd-, West- und Mitteleuropa (im Osten bis nach Ungarn) ab 2600 v. Chr. aufkam und bis etwa bis 2200 v. Chr. andauerte.
Am Ringheiligtum Pömmelte erstreckt sich die größte Aunjetitzer Siedlung in Mitteleuropa. Foto: Imago/Schoening
Die Kreisgrabenanlage Pömmelte-Zackmünde ist ein komplexer Ritualort, an dem vielfältige religiöse Handlungen ausgeübt wurden. Seit Dezember 2015 trägt die Anlage den Namen Ringheiligtum Pömmelte. Foto: Imago/Schöning

Pömmelte und Aunjetitzer Kultur

Dieser erst vor wenigen Jahren identifizierte Gebäudetyp gilt als Vorläufer der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Langhäuser. Am Ringheiligtum Pömmelte erstreckte sich  auch die größte Aunjetitzer Siedlung in Mitteleuropa.

  • Zur Info: Der Begriff Aunjetitzer Kultur - benannt nach dem Fundort Únětice/Aunjetitz in Böhmen, nördlich von Prag - bezeichnet eine archäologische Kultur der Frühbronzezeit im Zeitraum von 2300 v. Chr. bis 1600/1500 v. Chr. Sie geht aus den spätsteinzeitlichen Kulturen der Glockenbecher und Schnurkeramik hervor. Nach 1600 v. Chr. wurde sie durch die Hügelgräberbronzezeit abgelöst. Einer der bekanntesten Funde dieser Kultur ist die Himmelsscheibe von Nebra.
  • Schnurkeramische Kultur nennt man in der Archäologie einen Kulturkreis der Kupfersteinzeit (5500 bis 2200 v. Chr.) am Übergang vom Neolithikum zur Bronzezeit. Die Schnurkeramik ist nach der charakteristischen Gefäßverzierung benannt, bei der mit einer Schnur umlaufende Rillenmuster in den Ton eingedrückt wurden.
Die Gesamtanlage hat einen Durchmesser von etwa 115 Meter, der innenliegende Kreisgraben einen Durchmesser von etwa 80 Meter. Foto: Imago/Christian Schroedter
Der Kreisgraben stellte einen Kultplatz vom Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. dar, der als „Klein- Stonehenge“ bezeichnet wird, da die Bauwerke aus der gleichen Epoche stammen. Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Getreidesilos für 780 Menschen

Zudem entdeckten die Archäologen in diesem Jahr Wirtschaftsbereiche der Schnurkeramikkultur mit 78 Getreidesilos. „Eine etwa einen Meter tief erhaltene Grube besitzt ein Fassungsvermögen von etwa einer Tonne Getreide“, erläuterte Projektleiterin und Archäologin Franziska Knoll vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Halle.

„Der Inhalt dieser Grubenbatterie konnte mühelos 780 Erwachsene ein Jahr lang ernähren.“ Die Analyse der Getreidekörner ergab, dass in den Silos vorwiegend Weizen, aber auch Gerste und Dinkel gelagert wurden. Das Tierknochenspektrum aus den Befunden am Ringheiligtum zeigt, das größtenteils Rinder gehalten und verzehrt wurden.

Fleischesser und Vegetarier in Pömmelte

„Die Analyse von Fettrückständen an Trinkgefäßen aus den über 4200 Jahre alten Glockenbecher-Gräbern in Pömmelte ergab ausschließlich Milchprodukte. Wir hätten nicht erwartet, dass Milch in der Ernährung oder im Bestattungsritus der Glockenbecher-Menschen eine derart zentrale Rolle spielt“, sagte Knoll. „Für die vor 4200 einsetzende Aunjetitzer Kultur sind die Fettrückstände variabler“.

Die aufgefundenen Tassen seien für verschiedenste Getränke und Speisen verwendet worden. Insbesondere tierische Fette seien identifiziert worden. „Interessant ist, dass bei den Aunjetitzer Bestattungen in Pömmelte auch drei Individuen fleischlose oder fleischarme Kost bevorzugt haben, wie erste Isotopenanalysen an den Knochen verraten.“

„Die Aufgabe der Archäologie ist es zu zeigen, wie die Menschen damals gelebt haben“, unterstrich Landesarchäologe Meller. „Dafür müssen alle Register der naturwissenschaftlichen Analytik gezogen werden. In Pömmelte gelingt es uns in Zusammenarbeit mit Kollegen zahlreicher Disziplinen, ein vollständiges Lebensbild der Menschen im 3. Jahrtausend vor Christus zu zeichnen.“

Ähnlich wie für die Himmelsscheibe von Nebra ist auch für Pömmelte-Zackmünde eine astronomische Komponente belegt. Hier korrespondieren zwei der Zugänge mit Auf- und Untergängen der Sonne zu überlieferten Jahresfesten. Foto: Imago/Christian Schroedter
Die Funde belegen, dass Pömmelte über Jahrhunderte einen Zentralort für verschiedene archäologische Kulturen darstellte. Foto: dpa/Stephan Schulz

Von der Baalberger zur Aunjetitzer Kultur

Die intensive Nutzung des Platzes am Ringheiligtum begann mit der Baalberger Kultur vor gut 5700 Jahren und endete vor 3900 Jahren mit der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur, deren bedeutendster Fund die Himmelsscheibe von Nebra ist.

  • Zur Info: Die Baalberger Kultur war eine frühe jungneolithische Kultur um etwa 4200 bis 2800 v. Chr. mit Fundstätten in Mitteldeutschland und Böhmen. Benannt wurde sie nach dem Erstfund im Schneiderberg bei Bernburg (Salzlandkreis) in Sachsen-Anhalt.
  • Der Baalberger Kulturkreis wird zu den Trichterbecher-Kulturen gerechnet und ist in Deutschland deren fundreichste Erscheinung. Im nördlichen Mitteleuropa, im mittleren Osteuropa, in Dänemark und in Südskandinavien ist die Trichterbecher-Kultur die erste vom Ackerbau geprägte bäuerliche Kultur des nordischen Frühneolithikums. Sie folgt im Norden der mesolithischen Ertebølle-Kultur (5100 bis 4100 v. Chr).

In Pömmelte wird noch bis Mitte Juli 2024 gegraben, was auch der Ausbildung von Grabungstechnikern dient. Die Ergebnisse werden ab Sommer 2025 in der Dauerausstellung des Landesmuseums für Vorgeschichte gezeigt.

Info: Steinzeit, Kupferzeit, Bronzezeit

Steinzeit
Die früheste Epoche der Menschheitsgeschichte ist durch den Gebrauch von Steinwerkzeugen gekennzeichnet, die bereits von frühen Vertretern der Gattung „Homo“, dem „Homo habilis“ und „Homo erectus“ hergestellt wurden. Die Steinzeit begann vor 2,6 Millionen Jahren in Afrika und in Europa vor 1,1 Millionen Jahren und endete vor 2200 v. Chr.. Die Steinzeit wird in drei große Perioden unterteilt:

Altsteinzeit
Die Altsteinzeit (Paläolithikum) beginnt mit dem Altpaläolithikum (vor 2,6 Millionen bis 300 000 Jahren), gefolgt vom Mittelpaläolithikum (vor 300 000 bis 40 000 Jahren) und endet mit dem Jungpaläolithikum (vor 40 000 bis 10 000 Jahren). Die Menschen waren Jäger und Sammler, zusammengesetzte Jagdwaffen aus Holz und Stein und das Feuer waren ihnen bekannt.

Mittel- und Jungsteinzeit
Mit dem Ende der Eiszeit beginnt in Europa die Mittelsteinzeit (Mesolithikum, 9600-4500 v. Chr.). Der Übergang von der Jäger- und Sammlerkultur zu Ackerbau und Viehzucht markiert den Beginn der Jungsteinzeit (Neolithikum, deshalb auch Neolithische Revolution genannt). In Mitteleuropa beginnt sie um 5600 bis 4900 v. Chr. und endet um rund 2150 v. Chr..

Kupfer- und Bronzezeit
Das Ende der Steinzeit wird eingeläutet durch den in Ägypten, Südosteuropa und Vorderasien aufkommenden Kupferbergbau und die ersten Techniken der Metallurgie (sogenannte Kupferzeit). Der bekannteste Mensch der Kupferzeit ist der als Kältemumie erhaltene Ötzi (um 3300 v. Chr.). Mit der Bronzezeit, in der Metallgegenstände vornehmlich aus Bronze (einer Legierung von Kupfer und Zinn) hergestellt werden, endet endgültig die Steinzeit.

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