⚽ Nächster EM-Sieg Gündogan-Gala in Stuttgart

Der Kapitän übernimmt Verantwortung und führt die DFB-Auswahl zum nächsten Sieg bei der Heim-Europameisterschaft. Ilkay Gündogan bereitete das 1:0 gegen Ungarn vor, erzielte das 2:0 selbst. Foto: dpa/Federico Gambarini

Die deutsche Nationalmannschaft löst das Achtelfinal-Ticket. Hinter dem 2:0-Erfolg gegen Ungarn steckt eine Menge Arbeit – und zwei überragende deutsche Spieler, die zuletzt in der Kritik standen.

 
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Wie Bundestrainer Julian Nagelsmann seine Abendstunden verbringt, ist in aller Regel nur ein Thema für den Boulevard. Doch seitdem Nagelsmann nicht mehr nur Trainer des FC Bayern München war, sondern Nagelsmanns guter Nachtschlaf den fußballbegeisterten Teil der Nation bewegt, ist das Regeneration des Bundestrainers nationale Angelegenheit. Erst recht, wenn sich – wie am Dienstagabend – ein scheinbar unaufhörlicher Autokorso der türkischen Fans durch Stuttgart bewegte. Und dem DFB-Team den Schlaf und damit die optimale Vorbereitung auf das zweite Gruppenspiel gegen Ungarn raubte? Ein „beeindruckendes Hupkonzert“ sei es gewesen, sagte Nagelsmann in der ARD. Er habe aber genug Ablenkung gehabt.

Und zwar die Vorbereitung auf das Spiel gegen Ungarn – und die Hoffnung, dass am Mittwochabend dann keine türkischen, sondern deutsche Fahnen auf den Autos wehen, die in Kolonnen durch die Städte fahren. Und vielleicht war es auch kein Fehler, dass Nagelsmann ein paar wache Minute mehr hatte als ursprünglich geplant. Denn sein Team feierte mit dem 2:0 (1:0)-Erfolg – und steht damit im Achtelfinale der Heim-Europameisterschaft.

Doch der Weg dorthin war kein einfacher, denn einmal mehr bestätigte sich eine deutsche Turnier-Weisheit. Eigentlich ist stets das nächste Spiel das schwerste. Bei Turnieren galt lange Zeit bei der deutschen Fußballnationalmannschaft die Abwandlung des Spruchs: Das zweite Gruppenspiel ist das schwerste. 1998, 2002, 2008, 2010, 2014 und 2016 konnte die DFB-Auswahl jeweils ihr zweites Gruppenspiel nicht gewinnen. Und so war es fast auch nicht verwunderlich, dass sich das Team von Julian Nagelsmann am frühen Mittwochabend in Stuttgart gegen Ungarn schwer tat.

Das lag vor allem auch daran, dass die Ungarn nicht Spalier standen. Im Gegensatz zu den Schotten, die beim brillanten 5:1-Sieg der DFB-Auswahl im Auftaktspiel nur für gute Stimmung sorgten, erwies sich das Team von Trainer Marco Rossi als kompakt stehender und gefährlicher Gegner. Vom überraschend schwachen Auftritt der Ungarn im ersten Gruppenspiel gegen die Schweiz war vor allem in der Anfangsphase nichts zu sehen. „Ein angeschlagener Gegner im zweiten Gruppenspiel ist nicht einfach“, hatte ARD-Experte Bastian Schweinsteiger schon vor dem Spiel richtig prophezeit.

Schon nach wenigen Sekunden musste DFB-Keeper Manuel Neuer eingreifen, als ein Ballverlust beim Anstoß gleich in einer ungarischen Offensivaktion mündete. Falls es überhaupt Debatten über Neuer als Nummer eins gegeben haben sollte, dann dürften diese mit dem Spiel am Mittwoch verstummt sein. Denn der Neuer 2024 kam in Stuttgart nah an seine Weltmeisterform heran. Er wirkte nicht nur stabilisierend auf seine leicht wackeligen Vorderleute, sondern glänzte auch mit Paraden. Bestes Beispiel: Mit einer Blitzreaktion kratzte er in der 26. Minute nach einem Abschluss von Dominik Szoboszlai den Ball im letzten Moment von der Linie. Eine Weltklasse-Aktion!

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Die Parade war insofern entscheidend, weil die DFB-Auswahl zu diesem Zeitpunkt bereits mit 1:0 führte. Nach einer Anfangsphase, in der Ungarn die Gastgeber spürbar mit der Intensität überraschte, hatte sich das deutsche Team nach zehn Minuten gefangen. Doch was sich da schon andeutete: Nagelsmanns Warnung vor der Körperlichkeit der Ungarn wendeten die deutschen Spieler ins Gegenteil. Schon früh setzte selbst Toni Kroos mit einem Zweikampf in Robert-Andrich-Manier ein Zeichen (8.). Selbst in der letzten Zone gingen die deutschen Spieler robust in die Zweikämpfe – was schließlich zum Erfolg führen sollte. Schon Kai Havertz hatte sich nach elf Minuten robust im Strafraum gegen Willi Orban durchgesetzt, den Ball aber nicht mehr kontrollieren können. Nochmals mehr Zweikampfhärte setzte Ilkay Gündogan ein, dessen Rempler gegen Orban nahe des Fünf-Meter-Raums gerade so legal war. Der DFB-Kapitän nutzte die Balleroberung, legte auf Jamal Musiala ab, der den Führungstreffer erzielte (22.). Die ungarischen Proteste brachten nichts – selbst der VAR sah keine Fehlentscheidung.

Der Treffer brachte Sicherheit: Deutschland hatte nun das Spiel unter Kontrolle, fand zur Dominanz zurück – allerdings ohne richtig große Chancen. Insgesamt ging die Führung zur Pause aber völlig in Ordnung. Doch darüber schwebte noch immer die deutsche Tradition der nicht gewonnenen zweiten Turnierspiele.

Damit war auch der Plan für die zweite Hälfte abgesteckt – das begeisterte Stuttgarter Publikum sollte feiern und die EM-Euphorie weiter angefeuert werden. Dafür war allerdings neues Personal nötig: Für die beiden eher blassen Havertz und Florian Wirtz brachte Nagelsmann früh in der zweiten Halbzeit mit Niclas Füllkrug und Leroy Sané zwei neue Spieler. Die beste Chance hatte allerdings Ungarn: Barnabas Varga hätte den Ausgleich per Kopf erzielen müssen (60.), bekam aber den Ball nicht mehr mit genug Druck aufs deutsche Tor.

Das Spiel hätte leicht kippen können, doch mit Gündogan hatte Deutschland einen Mann im Team, der ebenfalls die Diskussionen um seinen Startelf-Einsatz wie ein laues Lüftchen erscheinen ließ. Den zweiten deutschen Treffer erzielte der Kapitän selbst: Die beste deutsche Kombination im zweiten Abschnitt führte zur Entscheidung. Maximilian Mittelstädt legte für Gündogan auf, der zentral Maß nahm und traf.

Der Kapitän durfte zehn Minuten vor Spielende auch vom Feld – und erhielt vom Stuttgarter Publikum Standing Ovations, das sich mit Sprechchören über die Einwechselung von Deniz Undav freute. Es wäre wohl nur zu gut gewesen, wenn die drei der vier Stuttgarter Spieler, die in der Schlussphase auf bei ihrem „Heimspiel“ auf dem Platz standen, noch einen Treffer für Deutschland nachgelegt hätten. Das wäre mit etwas mehr Konsequenz sogar möglich gewesen.

Und ein dritter Treffer hätte wohl auch noch ganz andere Assoziationen geweckt: Als Deutschland 1996 Europameister wurde, gelang im zweiten Spiel ein 3:0-Erfolg gegen Russland. Das hochverdiente, wenn auch anfangs alles andere als souveräne 2:0 gegen Ungarn dürfte dennoch die EM-Euphorie weiter beflügeln. „Gefühlt wird es bei uns immer besser. Aber während es besser wird, muss man immer auch Schwierigkeiten überstehen, und das hat dieses Spiel heute gezeigt“, sagte Matchwinner Gündogan. Der Bundestrainer sprach von einem Reifeprozess: „Im November hätten wir dieses Spiel noch nicht gewonnen. In meiner bisherigen Amtszeit sind wir auch schon mal eingebrochen, heute hat die Mannschaft nicht immer geglänzt, aber du musst so ein Spiel auch mal bearbeiten“, sagte Nagelsmann.

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