Erdüberlastungstag Deutschlands Ressourcen sind für dieses Jahr bereits aufgebraucht

Markus Brauer
Erdüberlastungstag: Ressourcen schonen durch Mülltrennung. Foto: Holger Martens/Initiative Initiative „Mülltrennung wirkt“/obs

Drei Erden bräuchten wir, wenn alle Menschen so leben würden wie die Deutschen. Zwar verschiebt sich der errechnete Tag wieder etwas weiter nach hinten, doch viel zu langsam.

 
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Würden alle Menschen so leben wie in Deutschland, wären die natürlichen Ressourcen bereits an diesem Donnerstag aufgebraucht. Der Erdüberlastungstag falle in Deutschland in diesem Jahr auf den 2. Mai, hat die Organisation Germanwatch unter Berufung auf Berechnungen des Global Footprint Network mitgeteilt.

Deutschland lebe ab diesem Tag auf Kosten anderer. Es mache quasi Schulden bei Menschen im globalen Süden sowie „bei Kindern und nachfolgenden Generationen, die mit den Folgen der jahrzehntelangen Übernutzung umgehen müssen“.

Vernichtung der Tropenwälder für Fleischexporte

Großen Einfluss auf den Verbrauch natürlicher Ressourcen hat laut Germanwatch der hohe Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten. „Allein 56 Prozent des hierzulande erzeugten Getreides gehen in die Futtertröge“, sagt Konstantinos Tsilimekis, Experte für Welternährung bei Germanwatch.

Zudem werde Futter importiert, was zur Vernichtung von Tropenwäldern beitrage. Aufgabe der Politik sei es etwa für nachhaltigere Angebote in Kantinen zu sorgen oder steuerliche Anreize für pflanzenbasierte Nahrungsmittel zu schaffen.

Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) weist darauf hin, dass auch der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel helfe, den ökologischen Fußabdruck zu verringern. Wichtig sei zudem, in geschlossenen Stoffkreisläufen zu denken, etwa durch langlebige Produkte und Recycling.

Luftbild vom Autobahnkreuz Walldorf: Ab 2. Mai verbrauchen die Deutschen mehr natürliche Ressourcen, als die Erde für sie eigentlich im ganzen Jahr geben kann. Foto: dpa/Uli Deck

Mahnung für nachhaltiges Verhalten

Der deutsche Erdüberlastungstag sei eine Mahnung für nachhaltiges Verhalten, betont Aylin Lehnert von Germanwatch. Zwar rücke der deutsche Erdüberlastungstag tendenziell nach hinten: 2017 waren beispielsweise schon am 21. April die Ressourcen für das Jahr verbraucht. Dies geschehe aber viel zu langsam. Wenn alle Menschen so leben und wirtschaften würden wie die Menschen hierzulande, seien rein rechnerisch drei Erden nötig.

Der Erdüberlastungstag wird für jedes Land und als globaler Tag berechnet. Er bezieht sich auf die weltweite Ressourcennutzung und bezieht im Gegenzug die Kapazität der Erde ein, Ressourcen aufzubauen und Müll und Emissionen aufzunehmen. Außerdem werden Wälder, Flächen, Wasser, Ackerland und Fischgründe einberechnet, die die Menschen verbrauchen. Der weltweite Erdüberlastungstag (Earth Overshoot Day), den die US-Umweltorganisation Global Footprint Network jedes Jahr berechnet, lag im vergangenen Jahr auf dem 2. August.

Wasserdampf steigt aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG). Das Kraftwerk ist das drittgrößte Kraftwerk in Deutschland. Foto: dpa/Patrick Pleul

Was ist der Earth Overshoot Day?

Global Footprint Network berechnet zum einen, was die Natur ohne Verluste im Jahr produzieren und absorbieren kann. Dabei geht es unter anderem um Rohstoffe, Trinkwasser und Nahrungsmittel und um menschengemachten Müll und CO2-Emissionen.

Zum anderen analysiert sie, was die Menschen mit ihrer Lebens- und Wirtschaftsweise verbrauchen. So legt sie den Erdüberlastungstag fest, an dem alle Ressourcen des Jahres aufgezehrt sind. Ein Großteil geht auf die Treibhausgas-Emissionen zurück.

Um im Einklang mit der Natur zu leben und die Treibhausgasemissionen gemäß den Empfehlungen des Weltklimarats (IPCC) zu reduzieren, müsste der Erdüberlastungstag in den kommenden sieben Jahren jedes Jahr um 19 Tage nach hinten verschoben werden, sagte die Sprecherin des Global Footprint Network. Wenn es gelingen würde, die Lebensmittelabfälle weltweit zu halbieren, würden nach Angaben von Diep schon 13 Tage gewonnen.

Der Blaue Planet ist erschöpft

Der 2003 von Umweltaktivisten in Oakland (US-Bundesstaat Kalifornien) gegründete „Think tank“ (Denkfabrik) Organisation Global Footprint Network will mit dem „Earth Overshoot Day“ damit auf die Notwendigkeit einer ökologisch nachhaltigen, globalen Entwicklung hinweisen. Um dieses Projekt statistisch zu untermauern, berechnet die Organisation jedes Jahr den Zustand der Erde, den „ecological footprint“ (ökologischen Fußabdruck).

Der ökologische Fußabdruck der Menschen müsse schrumpfen, mahnen die Aktivisten. Das gelte insbesondere für Industrieländer wie Deutschland: Die Bundesrepublik liege mit ihrem Pro-Kopf-Verbrauch und ihren Emissionen im obersten Viertel aller Länder.

Gefällte Kiefernstämme liegen in einem Kiefernwald auf einem Stapel in Lübben (Brandenburg).   Foto: dpa/Patrick Pleul

Stille Reserven der Erde schwinden

Lebt die Menschheit unverändert weiter wie bisher, benötigt sie bis 2030 zwei Planeten, um den Bedarf an Nahrung und nachwachsenden Rohstoffen zu decken. Bis 2050 wären es knapp drei, prognostiziert die Umwelt- und Tierschutzorganisation WWF. Zum Vergleich: 1961 benötigte die Menschheit nur zwei Drittel der zur Verfügung stehenden Ressourcen.

Dass angesichts der begrenzten Ressourcen ein globales Umdenken und Umsteuern stattfinden muss, ist unbestritten. Die Frage ist, wo der Hebel zu einem ökologisch nachhaltigen Weltwirtschaftssystem ansetzen soll. Knapp 8,15 Milliarden Menschen – bis 2050 könnten es mehr als zehn Milliarden sein – mit den elementaren Dingen des Lebens zu versorgen.

„Unser System frisst sich selbst auf“

Das ist eine gewaltige Herausforderung, die nur durch mehr Wachstum zu leisten ist – anders als bisher allerdings mit weniger Naturverbrauch und Raubbau. Der Wandel in Richtung mehr Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit muss gelingen.

Sollte dieser Wandel misslingen, werden sich die globalen Krisensymptome weiter verschärfen. Dann könnte die Warnung des australischen Umweltaktivisten und früheren Chefs von Greenpeace International, Paul Gilding, Wirklichkeit werden: „Mit dem Zwang zu immer mehr Wachstum und einer Überforderung des Planeten frisst sich unser System selbst auf“ (mit dpa-Agenturmaterial).

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